Drei Jahre Beziehung – drei Jahre Leica Q – meine persönliche Kuh-Affäre

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“Ich fotografiere heute auf den Tag genau drei volle Jahre mit der Leica Q. Ich bin zufrieden. ich würde sie wieder kaufen. Blogbeitrag fertig. Schöne Grüße….”

Das wäre die kurze und emotionslose Fassung einer kurzen Meldung. Aber bissi arg im abgekürzten Twitter-Style, oder? Da ich meinen eigenen Geburtstag in den letzten 47 Jahren noch nie wirklich gefeiert habe, so lasst mich den dritten Geburtstag heute meines meist genutzten Werkzeugs, meiner Leica Q, etwas mit ein paar Zeilen Text und einem eigenen Blogposting begehen und gedenken. Habt Ihr Lust darauf?

Warum wurde es heute vor drei Tagen eine Leica Q?

Die Leica SL ist schuld. Ich hatte eine Presse-Einladung zum Launch-Event der Leica SL als diese Ende 2015 im Leitz-Park in Wetzlar der Weltöffentlichkeit  vorgestellt wurde. Da mich persönlich diese Kamera so gar nicht angesprochen hat, nutzte ich aber die Zeit die schon ein paar wenige Monate auf dem Markt befindliche Leica Q mal in Ruhe zu begrabbeln. Diese Kamera war mir übrigens seit der Veröffentlichung wirklich suspekt, denn wozu soll man 4.000 Euro auf den Tisch legen, wenn diese Kamera doch nix kann, nicht mal das Objektiv wechseln. Und dann nahm ich sie in die Hand. Bumm – es war geschehen. Im Kopf hatte ich sie auf der Stelle gekauft, habe dann aber noch ein paar Wochen gebraucht bis sie am 13.11.2015 dann “Meine Leicakuh” wurde. Diese Beziehung sollte aber spannend werden…

Wozu habe ich mir die Leica Q eigentlich gekauft?

Nun, mein persönliches Jahr 2015 war eines der schwersten in meinem Leben. Ich litt in diesem Jahr sehr und war auch beruflich sehr angespannt, zumal ich im Jahr zuvor viele Wochen wegen eines Burn Outs ausgefallen war. Die Leica Q sollte eine Belohnung sein und niemals beruflich in der Fotografie eingesetzt werden.

“…die kaufe ich mir als Spielzeug und Schmuckstück. Für mich wird diese Leica wie für andere eine Breitling oder eine Rolex sein.”

So war ich mit mir selbst verblieben, als ich diese Investition durchdachte.  Ich wusste, dass es bei mir Zeit für Veränderungen gab. Es sollte sich erst später zeigen, was diese Kamera mit mir persönlich machte. Ja die Kamera hat etwas mit mir, dem Fotografen, gemacht und nicht nur ich mit ihr.

Schnell stellte sich allerdings heraus das die Leica Q nicht nur als Spielzeug und Schmuckstück herhalten musste, denn schon beim ersten People-Shooting im Hamburger Hafen im November 2015 war sie dabei und seitdem hat sie bei keinem einzigen Fototermin gefehlt. Bei Hochzeits-Emotionen-Reportagen macht diese Kamera mittlerweile 50 bis 70% aller Fotos. Sie ist schneller vom Spielzeug zum Werkzeug befördert worden als es ein 911er auf 100 km/h schafft. Und das bis heute… drei Jahre lang.

Was kann die Leica Q, was andere nicht können?

Nichts. Punkt.

Die Leica kann technisch rein gar nichts, was nicht andere Kameras genauso oder gar deutlich besser können. Das ist so. Das würde ich auch niemals anders diskutieren. Die Kamera ist der Inbegriff des Leica Werbeslogans “Reduzierung auf das Wesentliche” und genau das macht die Leica Q in meinen Augen aus. Diese Kamera hat mich in diesen drei erlebnisreichen Jahren gelehrt, mich deutlich (mehr) auf das Motiv zu konzentrieren und mich nicht von 1.001 Nacht Funktionen ablenken zu lassen. Die Leica Q hat mich dazu gebracht über meine eigene Fotografische Entwicklung nachzudenken und hat meine Arbeitsweisen deutlich verändert. Mein eigener Blick ist mittlerweile auf 28mm ausgelegt und meine Arbeitsweise mit dem Blendenring ist in Fleisch und Blut übergegangen. Da es keine Leica Q mit 85/90 mm Brennweite /Bildwinkel gibt, habe ich nach “oben” mit einer Panasonic G9 und dem Panasonic Leica Nocticron 42,5mm f1.2 diese – für mich ebenso sehr wichtige – Brennweite (durch Crop 2x) 85 mm belegt und auch diese Kamera ist dank dem Blendenring am Objektiv ganz genau so zu bedienen. Die Files passen ebenso gut zusammen und selbst meine PreSets sind für beide Kameras,trotz der gänzlich anderen Sensoren, gleichermaßen gut geeignet. Aber hier geht es ja um die Leica Q. Das kleine Stück.

Fassen wir zusammen: Die Leica Q kann nichts, was andere Kameras nicht auch können, außer den Fotografen, also mich selbst, dazu zu bringen dank der Reduzierung aufs Wesentliche sich mehr auf das Motiv und die Bildgestaltung zu konzentrieren. Bei mir hat das viel gebracht und ich habe mich persönlich in diesen drei Jahren deutlich weiterentwickelt, weit mehr als in den 10 Jahren zuvor. Ob das bei jedem so funktioniert? Ganz Ehrlich, ist mir egal. Jeder hat die Chance seinen Weg zu finden, mir hat auf diesem Weg, der weit mehr ein kleiner steiniger unbefestigter Weg und keine asphaltierte Schnellstraße ist, die kleine Leica Q wirklich geholfen mich und meinen fotografischen Weg zu finden.

Macht die Leica Q denn bessere Bilder?

Nun, wenn das aus dem vergangenen Absatz bei Dir klappt, wie bei mir persönlich, dann auf jeden Fall. Dann kann sich Deine Art der Fotografie ändern und dadurch wiederrum kannst Du persönlich zu besseren Bildern kommen. Wenn man allerdings nur auf die Specs und Features der Kamera abhebt auf keinen Fall. Im Gegenteil. Diese sind nämlich alles andere als spektakulär.

Service? Welche Werkstatterfahrungen hat eine so viel genutzte Leica Q?

Der Leica Service ist ausgezeichnet. Meine geliebte Q war in Summe drei mal beim Service. Gleich am Anfang als ich den Eindruck hatte, das meine Q einen zu lockeren Wahlschalter zwischen Einzel und Serienbild hat, habe ich dieses in Wetzlar (ich habe ja nur 30 km nach Wetzlar) richten und justieren lassen. Die beiden weiteren Einsätze im Service in Wetzlar waren erfolgten ebenso im ersten Jahr des Einsatzes dieser Kamera, als ich zwei mal wegen Staub auf dem Sensor nach Wetzlar fahren durfte. Leider, so hat sich herausgestellt, kommen bzw. kamen durch die Bohrungen im Gehäuse auf der oberen Seite Staubpartikel in das geschlossene Innere der Leica Q, dessen Objektiv man ja leider nicht abnehmen kann. Eine Sensorreinigung hat demnach immer einen Besuch im Service in Wetzlar zur Folge. Nachdem man mir dort empfohlen hatte, die Mikrophon-Öffnungen zu verschließen, prangt auf meiner Leica Q ein schwarzer “Langeronline-Aufkleber” und das Staubthema auf dem Sensor war nie wieder gesehen.

Service bei Leica. Ja das schreiben die wirklich groß! Konstruktionsfehler können die aber auch.

Was hat meine Leica Q alles erlebt?

Oha, wenn diese Kamera sprechen könnte (Notiz an mich selbst: Patent anmelden für sprechende Kameras!), hätte sie einiges zu erzählen. Sie war an der Nordsee, auf dem Atlantik, am Mittelmeer, an der Cote de Azur sowie an der Ostsee. Sie war mehrfach viele tausende Kilometer im hohen Norden unterwegs und spazierte mit mir über den Arctic Circle. Sie war unzählige Male in Dänemark, Holland, Belgien, Luxemburg, Frankreich, Norwegen, Schweden, sowie in der Schweiz, in Italien. Hat Ihren Platz in vielen Autos, auf vielen Schiffen in vielen Taschen und an vielen Gurten gefunden und hat um die 100 Hochzeiten mit mir zusammen erlebt. Sie stand auf 4.000m Höhe mit mir im Schnee und war mit mir zudem auf dem schönsten Flecken dieser Erde, auf den Lofoten. Diese Kamera hat Brautpaare, Kinder, Opas und Omas, nackische knackische junge Dinger, frisch geborene, gerade gestorbene, sowie tolle Paare und Menschen aller Klassen allen Alters und Hautfarben gesehen und aufgenommen.

Achja, und in 2017 hat sie jeden Tag, ohne Pause, Bilder gemacht für mein 365er Projekt, meinem persönlichen “Kuhjahr”.

Wenn diese Kamera sprechen könnte…

Ist die Kamera wirklich die 4.000 Euro wert?

Eine blöde Frage. Echt jetzt. Diese Frage kann ich Euch nicht beantworten. Mir persönlich eindeutig ja, denn diese Kamera war weit mehr als nur eine Kamera, sie war Medizin, sie ist nach wie vor Coach und Trainer für mich und mittlerweile wie ein nicht weg zu denkendes Werkzeug geworden. Ob Euch das diesen Kaufpreis wert ist, müsst Ihr selbst entscheiden. ich bin mir persönlich jedoch sicher, dass man dies nicht nach nur wenigen Tagen sagen kann, sondern eine ganze Weile braucht um diese (blöde) Frage für sich selbst wirklich objektiv beantworten zu können.

Würde ich mir die Leica Q noch mal kaufen?

Ja, ich denke ja.

Bist Du durch die Leica Q ins Leica-Fieber verfallen?

Nein eindeutig nicht. Im Gegenteil, diese reduzierte Kamera hat mir deutlich gezeigt, und darüber freue ich mich sehr, dass es eben nicht nur das Werkzeug ist, welches die Bilder macht. Ich liebe dieses Werkzeug, aber bei weitem nicht alles was Leica so tut. So werde ich beispielsweise nie verstehen, warum man einer Leica M das rückseitige Display nimmt um dem Fotografen das “Analog-Feeling” zu geben und diese dann noch deutlich teurer macht, obwohl ganz offenkundig wesentliche Komponenten weggelassen wurden. Die Leica SL ist in meinen Augen eine Design-Sünde und deren Objektive viel zu groß und schwer für das was sie können und die Leica M, auch wenn das tolle mechanische Wunderwerke sind, einfach völlig überzogen teuer. Nein, ich bin kein militanter Leica-Jünger dadurch geworden. Und das finde ich sehr gut.

Ist so eine Leica Q ansteckend?

Ja, das denke ich auf jeden Fall. Ich kenne persönlich mindestens 10 Personen die sich durch mich eine solche Kamera, eine Leica Q, gekauft haben. Ich kenne aber auch “Kollegen”, die wie folgt reagiert haben, und das nach nur einem Tag mit der Leica Q in Ihrem zu Hause (Copy and Paste aus einer Twitter-Personal-Message):

Tag 1: “ICH HAB SIE !!!”
Tag 2: “Ich werde mich wohl wieder trennen – ist mir in Summe zu groß, und der Gewinn an Bildqualität entspricht für mich nicht dem Preisunterschied. Aber ein beeindruckendes Stück Wertarbeit…”

Ist die Leica eigentlich eine Leica?

Ja ich weiß, die Gerüchte brodeln an allen Ecken, dass die Leica Q eine Panasonic Entwicklung ist. Der Akku ist ja auch der selbe wie in meiner Film-Kamera, der Panasonic FZ2000 und meiner Ersatzkamera, der Panasonic GX8. Die Software ist schon ähnlich, die Ladegeräte auch. Ihr Lieben, mir persönlich ist die Beantwortung dieser Frage völlig egal, denn ich habe mit dieser Kamera ein Werkzeug gefunden, das mir sehr viel Spaß macht, dessen Ergebnisse mir und meinen Kunden gefallen, dessen Service wirklich erstklassig ist und die dem Begriff und meinen Wertmaßstäben von “Made in Germany” entspricht. Ob genau das nun wirklich zu 100% so ist, oder doch nicht, da dürfen sich gerne andere Menschen mit viel Gedankenpotential Ihre hübschen Köpfe darüber zerbrechen.

Gibt es Wünsche für eine Leica Q II?

… und damit meine ich nicht diese von Leica völlig den Kunden veralbernde halbjährlich neu vorgestellten Farbvarianten oder die neue Leica Q-P, die einen neuen Auslöserknopf bekommen hat und einen neuen Ledergurt und deswegen um x-hundert Euro im Preis gestiegen ist.

Für eine echten Leica Q Nachfolger hätte ich schon Wünsche. Auch wenn mir und meinen Kunden die 24 Megapixel Auflösung völlig reichen, so würde ich mir mehr Auflösung wünschen um mit der Kamera – aber nur wenn das richtig und gut umgesetzt wird – auch auf 75 oder 85mm croppen zu können und mindestens ein 17 Megapixel Bild als Output zu bekommen. Natürlich sollte Leica an der Kamera, das mir ans Herz gewachsene, geniale und wertige Gehäuse nicht verändern, bis auf eine Bohrung für einen 3,5mm Klinkenstecker für ein Mikrophones. Das damals akute Problem des Sensorstaubes, das eindeutig auf die Mikrophon-Öffnungen im Gehäuse auf der Oberseite zurückzuführen ist/war, behoben sein sollte, versteht sich von selbst. Gegen einen Gesichts und Augen-Autofokus hätte ich im übrigen auch nichts einzuwenden und wenn wir schon bei Wünschen sind, wäre auch ein zweiter SD-Card Slot schick (aber nicht zwingend nötig).

Und jetzt?

Nun, diese Frage ist äußerst einfach zu beantworten. Ich freue mich auf die nächsten Termine, Shootings sowie Reisen die die Leica Q auch weiterhin mit mir erleben wird. Ich mag die Kleine  das Stück!

Schöne Grüße – Euer Fotofuzzy – Jörg Langer

 

16 Kommentare

  1. Warum fällt mir dieser Beitrag gerade jetzt vor die Füße, wo ich so am Nachdenken bin… Trifft zu 100% meine Erwartungen und Überlegungen… Mal sehen, was das neue Jahr bringt…

  2. Hehe, scheint sich gar nicht anzufühlen wie drei Jahre, wenn Du schreibst:
    “Warum wurde es heute vor drei Tagen eine Leica Q?”

    Ich dachte zuerst, “häh, die hat er doch viel länger” :)

    Schöne Liebeserklärung!!! Und klar, das wird nicht für jeden so passen, muss es ja aber auch nicht.
    Ich wünsche weiterhin viel Freude an der Cam, den Fotos, dem Leben!!

  3. Hallo Jörg, genauso ist es. Den Q-Traum habe ich mir im Frühsommer erfüllt und nicht bereut. Ich konzentriere mich tatsächlich auf das Motiv. Nur auf das Motiv. Was mich vom ersten Tag an begeistert hat ist die einfache Umschaltung der Zeit-, Blendenautomatic. Wenn es jetzt noch ein Tipps-zur Q-Buch statt des umständlichen Handbuch gäbe, das wärs.
    Danke für den Monochrom Hinweis

  4. Hallo Jörg,
    nachdem ich mir auch eine Q zugelegt habe, habe ich nach anderen Q-Besitzern im Internet gesucht und bin so auf deine Seite gestoßen, die ich immer mal wieder lese, d.h. die Q hat mich zu deinem Blog geführt, danke Q.
    Werner aus Jever

  5. Hallo Herr Langer! Die Q Artikel sind wirklich sehr schön und plastisch und für einen Moment dachte ich es klingt so schön versöhnlich. Als ehemaliger Analogkleinbildfotograf hatte ich Negativ-und Foto Entwicklung in der eigenen Dunkelkammer durchgeführt. Ausschließlich S/W Fotografie bis in die 90er Jahre. Dann aus beruflichen Gründen alles einschlafen lassen und verkauft. Vor einigen Jahren stand ich vor der Frage monochrom analog oder digital. DIGITAL heißt es seit einige Zeit für mich. Die Leica M 246 ist eine absolute Traumkamera und kann für manche Fotografen eine zeitgemäße Fortführung ihrer S/W Fotografie sein. Die SL ist für mich die bessere M10 und die Sony A7S ist meine Lieblingssony. Mehr erst mal nicht dazu auch wenn ich etwas abgeschweift bin, sorry Beste Grüße Ron Borchert

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