Lese-Ecke: Bildgestaltung. Die große Fotoschule: von Bildanalyse zum goldenen Schnitt – in Fotografie und Kunst – was ein epischer Buchtitel

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Die beiden Autoren André Giogoli und Katharina Hausel sind beide Lehrer an der Berufsfachschule für Design am Lette-Verein in Berlin. Dort unterrichten sie Fotografie und Bildgestaltung. Nun, mal schauen ob sie das Fachwissen auch in diesem Buch “transportieren” können an oder zu einem, sagen wir mal, schwer-erziehbaren Fotofuzzy? Das wollte ich wissen. 

Über 427 Seiten beinhaltet das schwere Werk das nun auf meinem Tisch liegt. Als langjähriger Bildersteller lag die Messlatte bei mir persönlich hoch für dieses Buch – nicht zuletzt durch den Untertitel “Wirkungsvolle Bilder gestalten und eine prägnante Bildsprache finden”. 

“Die Fotografie ist ein visuelles Kommunikationsmittel”

… ist im Vorwort zu lesen. Das stimmt, dachte ich mir und habe lange über diesen eigentlich einfachen Satz nachgedacht. Kommuniziere ich mit meinen Bildern? Mit wem kommuniziere ich? Führe ich mit den Bildern einen Monolog oder lade ich zu einem Dialog ein? Was ist das Ziel meiner Kommunikation. Dieser einfache Satz führt dazu das ich mit mir selbst gedanklich auf jeden Fall in reger Kommunikation gelandet war.

“Schließlich wird jeder Fotograf seine eigenen Regeln und damit seinen eigenen Stil finden, um Aufnahmen mit großer Wirkung zu machen” 

… war weiter hinten im Vorwort zu lesen. Ach Herrje was ein epischer Satz mit dem sich so viele selbsternannte Fotografen (also die die unfallfrei eine neu gekaufte Kamera vom Discounter nah Hause fahren können und umgehend eine Facebook Fotografen Page erstellen, denn sie haben ja jetzt eine Kamera…) so verdammt schwer tun. Seinen Weg, seinen Stil, seine Kommunikation für sich finden. Darum sollte es also scheinbar in diesem Buch gehen.

Das Buch beinhaltet die folgenden Kapitel:

  1. Bildgestaltung – Wozu und für wen fotografieren wir?
    Hier geht es um Impulse die die Fotografien mitteilen, um unterschiedliche Bildsprachen und um einen dokumentatorischen Charakter
  2. Ausrüstung und Technik – Die fotografischen Möglichkeiten sind von technischen und funktionalen Variablen abhängig.
    Hier geht es um Kameras, Sucher, Aufnahmeformate, Verschlusszeiten, Belichtungsmessung, Weißabgleiche, Brennweiten und Objektive, Blenden und Schärfentiefe und bis hin zum Zubehör.
  3. Motive sehen und Inszenieren – Gute Motive überraschen uns…
    Hier geht es um das Bild und um das Motiv. Beleuchtet werden hier insbesondere die Portraitfotografie, die Aktfotografie, die Stilllebenfotografie, die Architekturfotografie, die Landschaftsfotografie und um die Street Photography (warum nennen wir das in Deutschland nicht einfach Straßenfotografie?). Auch das generelle Sehen und Fotografieren und Betrachten der Motive wird geschult in diesem Kapitel.
  4. Rahmen und Raum – Wenn sie fotografieren, entscheiden Sie sich für ein Motiv, einen Aufnahmestandpunkt und einen Bildausschnitt. 
    Hier geht es um die Bildentwicklung vom Blick bis zum Bildausschnitt. Die Themen der Perspektiven sowie Kompositionen werden hier sehr gut an den Leser transferiert.
  5. Punkte, Linien und Flächen – die Dynamik einer entsprechenden Komposition ergibt sich aus dem Spannungsverhältnis zwischen den einzelnen Bildelementen.
    Hier geht es um die Reduktion auf grafische Bildelemente wie einzelne der mehrere Punkte und Linien. Es ist wirklich erstaunlich wie viel man einem Bild “mitgeben” kann wenn man diese Bildelemente Ernst nimmt.
  6. Farbe und Licht – indem sie auf die Farben achten, können sie den ästhetischen Reiz und inhaltlichen Ausdruck Ihrer Fotografien steigern.
    Die relative Wahrnehmung der Farben und was Farbe eigentlich ist, wird hier hier ausführlich behandelt. Zudem werden die verschiedenen Kontrastarten sehr gut geschult und betrachtet. Erstaunlich wie man Farben wahrnimmt und welche Wirkungen sie beim Betrachter erzeugen kann.
  7. Schwarzweiss – … das Bild wird auf seine grafische Wirkung konzentriert.
    Weniger ist mehr – eines meiner Lieblingsthemen ist hier Kapitelbeherrschend. Hier wird zudem die Umwandlung von Farbbildern zu Schwarzweissbildern behandelt mit der Reduktion auf die äußere Wirklichkeit. Ein spannendes Kapitel.
  8. Bildgestaltung im digitalen Labor – in diesem Kapitel geht es nicht darum, schlachte Fotografien per Mausklick in Gute zu verwandeln.
    Linien ausrichten, Perspektiven anpassen und Farbstimmungen anpassen sind wichtige Themen der EBV, die im achten Kapitel betrachtet werden. Panoramen zusammenfügen ist auch ein kurzes Thema das hier angerissen wird, aber leider etwas zu kurz finde ich.
  9. Den fotografischen Blick trainieren – mit dem fotografischen Blick visualisieren Sie das Bild im Kopf. … und das geht auch ohne Fotoapparat.
    Das Kapitel ist das “Bildreichste” und erklärt das meiste an Beispielbildern. Ich mag das Kapitel sehr – zumal viele dieser Aufnahmen genau da entstanden sind wo ich selbst auch schon zigmal mit der Kamera gestanden habe. Die Inspiration hier bringt einen dazu in kleinen Bilderserien zu denken. Spannend.
  10. Regeln brechen – Regeln kennen heißt auch, sie bewusst brechen zu können.
    Ungewöhnliche Orte, ungewöhnliche Posen, nicht immer (herkömmlich) schön – genau so beschreibt es ein Unterkapitel gut das einen zum Experimentieren animieren möchte.
  11. Zeigen Sie Ihre Werke – Sie fotografieren, was Sie interessiert, um sich daran zu erinnern.
    Die Webseite, das Buch und die Ausstellung wird hier betrachtet und erklärt.

Die einzelnen Kapitel werden immer mit “Inspirationen” abgeschlossen, die man an den schwarzen Seiten gleich erkennt. Hier wird die eigene Denkmaschine zum vorher gelesenen und gelernten nochmals ordentlich in Schwung gebracht.

Die Bilder in diesem Buch sind sehr gut – nicht überragend oder ganz besonders künstlerisch – aber als Lehranschauungsmaterial bestens geeignet. Diese Bilder zeigen einem das inhaltliche des Buches gut und Anschaulich ohne besonders zu sein. Um diese Einstellung zu den gezeigten Bildern zu bekommen, habe ich das Buch zwei mal durchblättern müssen. Die Bilder sind nicht “Hochglanz” wie man sie aus anderen Bildbänden oder Fotoschul-Büchern her kennt. Sie sind “gewöhnlicher” aber gerade deswegen sehr gut für dieses Thema – die Bildgestaltung!

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Mein persönliches Fazit

Ein spannendes Buch mit einem anspruchsvollen Thema das einem hilft Motive zu sehen und zu gestalten. Der fotografische Blick wird auf jeden Fall trainiert und ich kann mir vorstellen das ich nicht der einzige bin, der das eine oder andere Motiv jetzt mit etwas anderen Augen betrachtet. Der Weg von der Theorie zur Praxis ist ein langer – aber spannender Weg. Brecht Eure Regeln und Experimentiert – und das ganz bewusst. Das Buch kostet knappe 45 Euro – ist es aber auch komplett Wert! Kaufempfehlung.

Schöne Grüße – Euer Fotofuzzy – Jörg Langer


Mehr Bilder aus meinem Alltag findet Ihr wie immer in Instagram unter
www.instagram.com/langeronline.

Sehen wir uns dort?


Ich habe dieses Buch kostenfrei zur Verfügung gestellt bekommen – ganz genaue Leser können diesen Beitrag gerne als Werbung betrachten. Dennoch ist meine Meinung frei und wäre auch bei bezahltem Buch ganz genau so formuliert.

4 Kommentare

  1. Wenn ich die ganzen Awesomes sehe, wird der goldene Schnitt doch eh überbewertet.
    Objekt mittig (weil sie eh nur ein Focusfeld bedienen können), 35er Sigma Art und ein VSCO Fiter drüber und schon sind sie die Helden.
    Vielleicht sollten solche Bücher Pflichtprogramm werden für die neue Generation an Fotografen (Generation JA – Fotograf NEIN) ;-)

  2. Dass in solche Bücher immer noch einmal mehr dieses « Technikkapitel » mit reinmuss und immer gleich ganz vorne … von daher nehme ich an, dass die basics behandelt werden und eher nicht so die schicken Sachen ? Figure-ground als für die Fotografie sehr brauchbarer Teil der Gestalttheorie, Symmetrien, Area of contrast, Kontraste « allgemein » ?

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